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Der Wächter der Narben

  • Autorenbild: narjarathamiz
    narjarathamiz
  • 27. Jan.
  • 2 Min. Lesezeit

Eine Legende erzählt, dass am Eingang zum Himmel eine beeindruckende Gestalt steht, die als der Wächter der Narben bekannt ist. Sein Körper ist bedeckt mit Zeichen, die wie Sterne am Nachthimmel leuchten, und jede erzählt eine Geschichte von Schmerz, Verlust und Überwindung. Der Legende nach, ist er eine uralte Seele, die unzählige Leben gelebt hat und die Essenz all dieser Erfahrungen in sich trägt.


Der Wächter richtet nicht; er spiegelt. Seine Präsenz gleicht einem Spiegel, der die unsichtbaren Narben enthüllt, die jeder Reisende in seiner Seele trägt. Bevor jemand die Tore des Himmels durchschreiten darf, stellt er nur eine Frage:"Was hast du aus deinen Wunden gelernt?"


So geschah es, als eine etwa 60-jährige Frau am Eingang zum Himmel ankam. Überrascht von der Gestalt des Wächters fragte sie: "Wer bist du?"


Er antwortete gelassen:"Ich bin der Wächter der Narben. Zeige mir die Zeichen, die du trägst." Verlegen sagte sie: "Ich habe ein paar sichtbare Narben auf meinem Körper, aber die haben kaum wehgetan. Die schmerzhaftesten sind die Narben in meiner Seele, aber die kann man nicht sehen."


Mit einem durchdringenden, aber sanften Blick entgegnete der Wächter:"Das glaubst du. Doch für jene, die zu sehen wissen, sind alle Narben sichtbar. Selbst die in deiner Seele hinterlassen Spuren auf deinem Körper und formen, wer du bist."


Plötzlich sah sie ihre Geschichte in seinen Augen reflektiert – ihre körperlichen und emotionalen Narben, jede offenbarte Wahrheiten, die sie verborgen glaubte. Versunken in diese Vision begann sie, den Sinn der Erfahrungen zu verstehen, die sie geprägt hatten, obwohl der Schmerz sie einst geblendet hatte.


Dann stellte der Wächter die Frage erneut: "Was hast du aus deinen Wunden gelernt?"


Die Frau antwortete demütig: "Jetzt sehe ich, dass jede von ihnen einen Sinn hatte. Diese Schmerzen haben meine Seele geformt, und ohne sie wäre ich nicht die, die ich bin. Alles wurde von meinem Wesen orchestriert, damit ich lernen und mich mit dem Leben verbinden konnte. Jetzt erkenne ich den Wert meiner Narben und bin dankbar für sie. Hätte ich das früher erkannt, hätte ich vielleicht weniger gelitten, aber alles ist so geschehen, wie es sollte."


Mit einer ruhigen Geste berührte der Wächter ihr Herz. Ihre Narben, einst Zeichen des Schmerzes, begannen zu leuchten und verwandelten sich in Funken, die den Himmel erhellten. Sie fühlte sich leichter, erfüllt von universeller Weisheit.


Die Legende besagt, dass diejenigen, die aufrichtig und demütig antworten, vom Wächter willkommen geheißen werden. Ihre Geschichten werden in das große Mosaik menschlicher Erfahrungen eingefügt. Jene jedoch, die ihre Narben verleugnen oder nicht erkennen können, werden sanft zur Erde zurückgeschickt, um zu lernen und zu wachsen, bis sie bereit sind.


Diese Geschichte erinnert uns daran, dass unsere Narben ein wesentlicher Teil dessen sind, wer wir sind. Sie formen unsere Seelen, Persönlichkeiten und Reisen. Die wahre Frage ist: Wie geben wir unseren Wunden einen Sinn und verwandeln unser Leid in Weisheit?


Wie Buddha sagte: "Schmerz ist unvermeidlich, aber Leiden ist optional." Und Aristoteles hinzufügte: "Wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel setzen."


Vielleicht sind es am Ende unsere Narben, die uns den Schlüssel geben, die Tore der Erde und des Himmels zu durchschreiten.


Namastê!

Narjara Thamiz


 
 
 

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